1. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1, 2. und 3. HS VVG kann der Versicherer bei einem Tarifwechsel, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer
wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag
und insoweit auch eine Wartezeit verlangen. Zu Mehrleistungen in diesem Sinne zählt auch der Wegfall eines Selbstbehalts oder ein geringerer Selbstbehalt im Zieltarif gegenüber dem Herkunftstarif (BGH, Urteil vom 20.7.2016 - IV ZR 45/16 - NJW 2017, 169 Rn. 13, beck-online m.w.N.). Im früheren Tarif des Klägers war eine Selbstbeteiligung in Höhe von 10%, maximal 900,00 Euro jährlich vereinbart. Der neue Zieltarif sieht eine maximale Selbstbeteiligung in Höhe von nur 500,00 Euro vor. Der Versicherungsnehmer würde damit bei Vergleich dieser beiden Tarife im Zieltarif finanzielle Mehrleistungen in Höhe von 400,00 Euro von dem Versicherer - zusätzlich zu dem ohnehin monatlich deutlich günstigeren Zieltarif - erhalten. Da infolgedessen die Leistungen im Zieltarif höher sind als im bisherigen Tarif, konnte die Beklagte gemäß § 204 Abs. 1 Nr.1 , 2. HS VVG den Ausschluss von Mehrleistungen von dem Kläger verlangen.
2. Eine Anfechtung wegen Irrtums gemäß § 119 BGB ist ausgeschlossen, weil es jedenfalls an der erforderlichen Ursächlichkeit des Irrtums fehlt.
3. Eine objektive Erheblichkeit eines etwaigen Irrtums ist danach regelmäßig zu verneinen, wenn der Erklärende infolge seines Irrtums wirtschaftlich nicht schlechter steht und keine wirtschaftlichen Nachteile erleidet, sodass ein Einfluss des Irrtums auf die Abgabe der Erklärung bei verständiger Würdigung zu verneinen ist (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 119 Rn. 152; BeckOK BGB/Wendtland, 64. Ed. 1.11.2022, BGB § 119 Rn. 45; Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 119 Rn. 31). So liegt der Fall aber, wenn der Kläger sich insgesamt wegen des (unstreitig) deutlich günstigeren monatlichen Tarifbeitrags trotz „höherer“ Selbstbeteiligung von
900,00 € anstatt 500,00 € wirtschaftlich besser steht.
Ansprechpartnerin
RAin Anne Middel, Köln
anne.middel@bld.de
Ausschluss von Mehrleistungen nach Tarifwechsel
AG Düsseldorf, Urteil vom 15.2.2023 - 18 C 682/20 (nicht rechtskräftig)