Eine Erledigungsklärung kann mangels unwirksamer Parteihandlung nicht gemäß § 140 BGB analog in eine Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO umgedeutet werden.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG München zeigt, dass selbst bei vorhandenem Klageanlass die Kosten eines Rechtsstreits auch der Klagepartei aufzuerlegen sein können, wenn die Klägervertretung eine fehlerhafte prozessuale Erklärung abgibt.
Konkret ging es um die Frage, welche Erklärung abzugeben ist, wenn eine Zahlung auf die Klageforderung erfolgte. Hierbei ist die Theorie denkbar einfach. Maßgeblich kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an, also wann die Klage den Beklagten zugestellt wurde. Erfolgt die Zahlung vor Rechtshängigkeit, so ist die Klage privilegiert zurückzunehmen. Erfolgt die Zahlung nach Rechtshängigkeit, so ist für erledigt zu erklären.
Entschieden hat der BGH (Beschluss vom 13.12.2006 - XII ZB 71/04) bereits den Fall, wenn bei Zahlung nach Klageerhebung die Klage zurückgenommen wird. Für diesen Fall hat die Klagepartei die Kosten zu tragen. Es liegt insbesondere kein Fall der privilegierten Klagerücknahme im Sinne von § 269 Abs. 3 ZPO vor, weil die Zahlung eben nicht vor Rechtshängigkeit erfolgte. Soweit ersichtlich gab es bislang aber keine obergerichtliche Rechtsprechung zu dem umgekehrten Fall, wenn bei Zahlung vor Rechtshängigkeit der Rechtsstreit (fehlerhaft) für erledigt erklärt wird. Dieser Umstand hat sich nun mit der Entscheidung des 24. Senats geändert, die sich zu dieser Fallkonstellation verhält.
Die Klägerin hatte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht. Es erfolgte im weiteren Verlauf eine Teilzahlung der Beklagten vor Rechtshängigkeit, also Klagezustellung an die Beklagten. Insoweit hätte die Klage privilegiert zurückgenommen werden können. Statt die Klage in der regulierten Höhe privilegiert zurückzunehmen, erklärte die Klägerin allerdings teilweise für erledigt. Dieser (fehlerhaften) Teilerledigterklärung haben die Beklagten widersprochen, da keine Erledigung eingetreten war.
Nach der Auffassung des 24. Senats ist die Erledigterklärung - bei Widerspruch des Gegners - auszulegen als Antrag auf Feststellung, dass sich die ursprünglich zulässige und begründete Klage nach Rechtshängigkeit erledigt hat. Eine Auslegung als Klagerücknahme kommt demgegenüber nicht in Betracht. Zwar schadet eine Falschbezeichnung nicht, wenn der anderslautende, wahre Wille ermittelbar ist. Andererseits kann aber für die Auslegung einer Prozesshandlung nicht darauf abgestellt werden, welche prozessuale Vorgehensweise im konkreten Fall Aussicht auf Erfolg haben kann. Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin ursprünglich eigentlich die Klage zurücknehmen wollte und dies nur unzureichend zum Ausdruck gebracht hat. Vielmehr wollte sie das tatsächlich Erklärte, weil sie nicht wusste, dass die Zustellung der Klage erst nach Zahlungseingang erfolgt war. Sie wollte also nichts anderes erklären, als sie tatsächlich erklärt hat, sondern irrte lediglich hinsichtlich ihrer Entscheidungsgrundlage oder hat die Möglichkeit, dass die Zahlung bereits vor Klagezustellung erfolgt sein könnte, nicht in Betracht gezogen.
Eine Umdeutung nach § 140 BGB analog in eine Klagerücknahme sei nicht möglich. Die Umdeutung setze eine unwirksame Parteihandlung voraus, die nicht vorlag. Die einseitige Erledigterklärung im Sinne eines Antrages auf Feststellung der Erledigung einer ursprünglich zulässigen und begründeten Klage war wirksam. Mit ihr konnte lediglich das erstrebte Ziel (Befreiung von der Kostenlast) nicht erreicht werden, weil die Klage insoweit bereits vor Rechtshängigkeit unbegründet geworden war. Zwar treffe zu, dass eine Erwirkungshandlung (also eine Prozesshandlung, die keine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung hat) anders als eine Bewirkungshandlung (wie die Klagerücknahme), die unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung hat, grundsätzlich widerruflich ist. Allerdings sei eine Klagerücknahme, sobald erstmals mündlich verhandelt wurde, auch nach Einlegung eines Rechtsmittels nur noch mit Zustimmung der Beklagten möglich. Daran mangele es. Zwar wollte die Klagepartei im Rahmen der Berufung dann die Klage noch privilegiert zurücknehmen. Dieser Klagerücknahme wurde beklagtenseits aber nicht zugestimmt. Damit war die in der Berufungsinstanz erstmals erklärte Klagerücknahme wirkungslos und es verblieb bei der Feststellungsklage der Klagepartei. Diese war zwar zulässig, aber unbegründet, da sich der Rechtsstreit nicht erledigt hatte. Abschließend wies der Senat treffend darauf hin, dass die ZPO von einem rein formalen Erfolgsprinzip ausgeht. Für Billigkeitserwägungen oder die Frage, wer den Prozess schuldhaft heraufbeschworen hat, sei kein Raum. Die unbegründete Feststellungsklage der Klägerin wurde dementsprechend kostenpflichtig abgewiesen, was zur Kostentragung der Klägerin in beiden Instanzen geführt hat, obgleich Klageanlass bestand. Insofern wird sich die Klägerin nunmehr gegebenenfalls bei der Klägervertretung schadlos halten müssen.
Fazit: Auf den ersten Blick mag die Entscheidung unbillig wirken, ist jedoch dogmatisch richtig und zu begrüßen. Denn auch im umgekehrten Fall, in dem die Klage zurückgenommen wird, obgleich für erledigt erklärt werden müsste, trifft die negative Kostenfolge zwingend die Klagepartei; weshalb der umgekehrte - hier entschiedene - Fall dann anders zu beurteilen sein sollte, erschließt sich nicht. Insbesondere die anwaltlich vertretene Partei muss sich an einer eindeutigen Erklärung festhalten lassen.
Ansprechpartner
RA Armin Seiler
Kostenfolge bei Erledigungsklärung und Zahlung vor Zustellung der Klage (mit BLD-Anmerkung)
OLG München, Urteil vom 31.7.2025 - 24 O 1899/25 e


