1. Überquert ein zehn Jahre und zwei Monate altes Kind eine Straße im Laufschritt, ohne sich vorher zu versichern, dass das gefahrlos möglich ist, verstößt es gegen § 25 Abs. 3 StVO und haftet nach § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB für den Unfall mit, sofern ihm nicht der Nachweis nach § 828 Abs. 3 BGB gelingt, dass ihm die erforderliche Einsicht fehlte.
2. Die Betriebsgefahr des Kfz tritt nicht vollständig hinter das Verschulden des Kindes zurück, wenn der Verkehrsverstoß des Kindes nur objektiv, nicht aber subjektiv besonders vorwerfbar ist.
Anmerkung
Das OLG Hamm hatte zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ein zehn Jahre und zwei Monate altes Kind für die Folgen eines Unfalls mithaftet, weil es entgegen § 25 Abs. 3 StVO die Straße im Laufschritt überquerte, ohne sich zu versichern, dass dies gefahrlos möglich ist. Das LG Münster wies die Klage des Kindes zunächst ab. In der Berufungsinstanz traf das OLG Hamm eine Haftungsverteilung von 75 % zu Lasten des Kindes. Zwar sei der Kläger dem Haftungsprivileg des § 828 Abs. 3 BGB zwar gerade erst entwachsen, allerdings gehöre es zu den elementaren Verhaltensgeboten im Straßenverkehr, sich vor dem Überqueren zu versichern, dass dies gefahrlos möglich sei. Das lerne man bereits im Vorschulalter. Unbewiesen blieb - die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Kind selbst -, dass es nicht die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatte.
Dem Verschulden des Kindes stand nur die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges entgegen. Ein Verschulden konnte dem Fahrzeugführer auch nach einem unfallanalytischen Gutachten nicht nachgewiesen werden. Die Betriebsgefahr würde nach Ansicht des OLG Hamm nur dann hinter das Verschulden zurücktreten, wenn dieses objektiv und subjektiv erheblich wäre. Allerdings sei das Laufen über eine Straße ein altersentsprechendes Verhalten, da gerade von Kindern nicht immer alle Verhaltensnormen eingehalten werden.
Im Ergebnis ist die Abwägung des OLG Hamm zutreffend und gut begründet. Der Gesetzgeber hat in § 828 BGB eine Stufung der Verantwortlichkeit von Minderjährigen für ihr Verhalten vorgenommen. In der konkreten Anwendung führt sie dazu, dass mit einem zunehmenden Alter desjenigen, der eine Straße entgegen § 25 Abs. 3 StVO überquert, ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr des Kfz immer wahrscheinlicher wird. Sofern der Minderjährige jedoch beweisen kann, dass er die entsprechende Einsichtsfähigkeit gerade nicht aufwies, kann er sich auf das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 3 BGB berufen. Generell kommt es nicht nur auf das objektiv grob fahrlässige Verhalten an, sondern in besonderem Maße auf die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten.
Ansprechpartner
RA Johannes Kunz
Mithaftung eines zehnjährigen und unaufmerksam über die Straße laufenden Kindes (mit BLD-Anmerkung)
OLG Hamm, Urteil vom 25.6.2025 - 7 U 142/23