Klimaklagen setzen Haftpflichtversicherer unter Druck
Der Klimawandel ist nicht nur die größte ökologische und politische Herausforderung des 21. Jahrhunderts, sondern zunehmend auch ein haftungsrechtliches Risiko für Unternehmen. Große Emittenten sehen sich vermehrt zivilrechtlichen Klagen ausgesetzt, in denen die Privatkläger oder NGOs versuchen, für nach ihrem Vortrag klimabedingte Schäden Schadensersatz oder Unterlassung zu erstreiten. Diese Entwicklung wirft eine Vielzahl von Fragen auf – nicht zuletzt im Hinblick auf den Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung.
Die aktuelle Regierung befasst sich mit den Folgen des Klimawandels im versicherungsrechtlichen Kontext vor allem mit sachversicherungsrechtlichen Fragestellungen: Im Koalitionsvertrag sehen CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung vor.
Demnach sollen künftig alle Wohngebäudeversicherungen sowohl im Neugeschäft als auch im Bestand um eine Elementarschadendeckung ergänzt werden. Diese deckt Schäden ab, die durch sogenannte Naturereignisse entstehen, also Elementargefahren (Hochwasser, Überschwemmung, Erdrutsch, Lawinen, etc.). Finanzielle Belastungen durch den Klimawandel im weiteren Sinne sollen damit gerechter – was auch immer das heißen mag – verteilt werden.
Neue Risikolage durch klimabezogene Zivilklagen
Weltweit sind in den vergangenen Jahren Klimaklagen gegen Unternehmen initiiert worden. Ein prominentes Beispiel ist das gegen Royal Dutch Shell ergangene Urteil aus dem Jahr 2021, in dem das Unternehmen verpflichtet wurde, seine CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren. Obgleich die Berufung das erstinstanzliche Urteil kassiert hat, war das kein Fanal gegen solcherart Inanspruchnahmen. Sie zielen darauf ab, Unternehmen für ihre Beiträge zum Klimawandel zur Verantwortung zu ziehen.
Mit Urteil vom 9. April 2024 (53600/20) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den „Klima Seniorinnen“ (?) recht gegeben, dass die Schweiz nicht genug gegen den Klimawandel tue. Sollten auch deutsche Gerichte Verbandsklagen auf nationaler Ebene zulassen, könnte dies weitreichende Folgen für die Versicherungswirtschaft haben.
Klimaklagen gegen Unternehmen: Stand und Tendenzen
Die wohl bekannteste noch anhängige Klimaklage hat Saúl Luciano Lliuya, ein peruanischer Bergführer, im Jahr 2015 in Deutschland gegen den RWE-Konzern erhoben. Der Kläger macht das Unternehmen für die durch den Klimawandel bedingte Bedrohung seines Hauses mitverantwortlich.
Nachdem die Klage erstinstanzlich noch abgewiesen worden war, ist das OLG Hamm in der Berufungsinstanz in die Beweisaufnahme eingetreten und vor einiger Zeit zum Ortstermin nach Peru gereist. Im März 2025 fanden zwei mündliche Verhandlungen statt, bei denen gerichtlich bestellte Sachverständige ihre Gutachten präsentierten. Das Fazit lautete, dass in den kommenden 30 Jahren keine konkreten Gefahren für das Haus des Klägers bestünden.
Ein von der Klägerseite vorgelegtes Parteigutachten geht hingegen von einem höheren Risiko aus. Der Verkündungstermin ist für den 28. Mai 2025 anberaumt. Dabei ist der Ausgang des Rechtsstreits zweitrangig: Allein der Umstand, dass das OLG in die Beweisaufnahme über die Klimarisiken eintritt, belegt, dass der Senat rechtlich für denkbar hält, dass ein Unternehmen zivilrechtlich für die Folgen des Klimawandels einstehen muss -und schon das ist wegweisend.
In der Schweiz droht aktuell ein Felssturz gigantischen Ausmaßes. Es besteht die begründete Sorge, dass ein Berg auf das Dorf Blatten zu stürzen droht. Dass dessen Einwohner schon nach einem Ziel für die nächste Klimaklage suchen, ist zumindest nicht ausgeschlossen.
Solcherlei Klagen sind allerdings kein Selbstläufer: Unabhängig vom anwendbaren (gegebenenfalls ausländischen) Recht stellt – neben der notwendigen Feststellung entsprechender Rechtsgutsverletzungen – vor allem die Kausalitätsfrage in Klimaklagen eine erhebliche Hürde für die Kläger dar und wird auch als Kernproblem der Klimahaftung bezeichnet. Der Klimawandel ist trotz Fortschritten in der Zuordnungsforschung gerade nicht mit solchen Umweltschädigungen vergleichbar, die eine bestimmte Verschmutzung und eine unmittelbar daraus resultierende Gesundheitsschädigung zur Folge haben. Er zeichnet sich vielmehr durch ein hochkomplexes Geflecht von Ursachen für Personen- oder Sachschäden aus.
Haftpflichtdeckung und Klimarisiken
Ob der Versicherungsschutz für eine Klimaklage in Haftpflichtversicherungsverträgen hingegen ein Selbstläufer ist, lässt sich ebenfalls nicht pauschal beantworten. Dafür sind die Ausprägungen der unter dem Stichwort Klimaklagen zusammengefassten Fallgestaltungen zu vielfältig: In einem ersten Schritt ist zwischen Klimaschutz- und Klimahaftungsklagen zu differenzieren. In beiden Gestaltungen sind allerdings diverse Konstellationen denkbar, in denen – zumindest auf Basis des insoweit maßgeblichen Anspruchstellervortrags – Versicherungsfälle vorliegen.
Praxisempfehlungen für Unternehmen
Unternehmen müssen Klimaschutz längst als rechtlichen und strategischen Komplex begreifen. Reines Reputationsmanagement reicht schon lange nicht mehr aus – rechtlich belastbare, überprüfbare und nachweisbare Klimaschutzmaßnahmen werden zum Standard.
Versicherer stehen bei der zu bemerkenden Zunahme von Klimahaftungsklagen vor einer doppelten Herausforderung: Sie sind Risikoträger und gleichzeitig Kapitalanleger mit hohen ESG-Verantwortlichkeiten – und damit potenziell Beklagte. Versicherer sind daher gut beraten, wenn sie aktiv werden mit einer Kombination aus Risikovermeidung, Policen-Überprüfung, Marktbeobachtung und Implementierung einer eigenen ESG-Strategie. Dabei ist Klimakompetenz als Wettbewerbsvorteil im Versicherungsmarkt zu verstehen, sowohl was gezeichnete Risiken als auch die eigene Kapitalanlagestrategie angeht.
Fazit
Klimarisiken müssen systematisch adressiert werden. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich gegen die finanziellen Folgen des Klimawandels abzusichern. Sie müssen ebenso aktiv werden wie ihre Versicherer. Die Gegenseite jedenfalls wappnet sich bereits: Der Makler Greensurance Für Mensch und Umwelt UG (hb) wirbt: „Wer finanzielle Unterstützung für eine Umweltverbandsklage im Sinne der Energiewende und des Klimaschutzes sucht oder eine Klimaklage auf den Weg bringen möchte, kann auf Anfrage finanzielle Unterstützung als Green-Best-Practice-Projekt/-Organisation erhalten. Sie unterstützt auch eine derzeit laufende Klimaklage, um diese in eine höhere Instanz zu bringen.“
Saúl Luciano Lliuya jedenfalls dürfte nicht der letzte ausländische Kläger sein, der deutsche Unternehmen vor deutschen staatlichen Gerichten verklagt.