Zur Bedeutung des sogenannten "Werkstattrisikos" nach Abtretung der Schadensersatzforderung an die die Reparatur des Unfallschadens vornehmende Werkstatt.
Anmerkung
In der außergerichtlichen und auch der gerichtlichen Praxis von zunehmender Bedeutung ist die Frage, ob die Grundsätze des Werkstattrisikos auch dann eingreifen, wenn der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt nicht ausgeglichen hat.
Diese Frage lag dem BGH nunmehr zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde an das LG Köln zurückverwiesen, da es dem Kläger an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis fehlt. Ferner erachtet der BGH offenbar eine weitere Beweisaufnahme für erforderlich. Trotz der angenommenen Rechtsfehler des Urteils des LG Köln äußert sich der BGH – eher wage - auch in der Sache selbst. Dies allerdings nur um gleichzeitig festzustellen, dass das eigene - vorläufig gefundene - Ergebnis nicht unproblematisch sei und einer genaueren Überprüfung bedarf.
In der Vorinstanz ging das LG Köln davon aus, dass sich der Geschädigte in der Konstellation einer von ihm nicht bezahlten Rechnung nicht auf das Werkstattrisiko berufen kann. In der Konsequenz wurde über den tatsächlich erforderlichen Umfang der unfallbedingten Reparaturen daher Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass die von der Werkstatt durchgeführten Arbeiten teilweise unfallbedingt nicht erforderlich waren. In diesem Umfang wurde die Klage durch das LG Köln abgewiesen.
Der Rechtsauffassung des LG Köln folgt der BGH nicht. Das LG habe die Erstattungsfähigkeit einzelner Arbeitsschritte nicht mit der Begründung verneinen dürfen, dass diese nach den technischen Ausführungen des Sachverständigen nicht erforderlich seien. Der BGH vertritt hier offenbar auch die Auffassung, dass das Werkstattrisiko nur dann nicht eingreift, wenn die von der Werkstatt in Rechnung gestellten Arbeiten tatsächlich überhaupt nicht durchgeführt worden sind.
Für die richtige Einordnung des Urteils ist aber genauestens auf dessen redaktionellen Aufbau zu achten. Denn es gibt einen Vorbehalt, der sich aus II. 2e) ergibt. Dort führt der BGH im Wesentlichen aus, dass die im Urteil vorangegangen Ausführungen noch einmal rechtlich zu überprüfen sein werden.
Hierbei wird spezifisch auf die Ausführungen zu II. 2a) verwiesen. Eben dort führt der BGH zwar zur Frage des Werkstattrisikos aus, blendet dort allerdings den Schwerpunkt dieses Verfahrens aus. Dieser liegt in der Frage, ob das Werkstattrisiko und die dahinter stehende Argumentation auch dann gelten soll, wenn der Geschädigte die Rechnung nicht gezahlt hat. Unter II. 2a) wird die Besonderheit argumentativ nicht aufgegriffen, in II. 2e) dann aber zumindest darauf hingewiesen, dass diese bei einer eventuellen späteren Zulässigkeit der Klage zu erörtern sein wird.
Inkonsequent erscheinen daher auch die Ausführungen unter II. 2b) + II. 2c). Hier fordert der BGH offenbar eine weitere Beweiserhebung zu der Frage, ob die vom Sachverständigen als nicht erforderlich festgestellten Arbeiten denn tatsächlich von der Werkstatt überhaupt durchgeführt worden sind oder nicht.
Inkonsequent ist das daher, da für die Ausführungen des BGH zu II. 2b) + II. 2c) die Grundsätze zu II. 2a) zu Grunde gelegt werden, welche der BGH selbst gemäß II. 2e) für überprüfungsbedürftig hält. Es könnte daher zu einer Beweiserhebung kommen, welche nach genauerer Überprüfung der konkreten Konstellation nicht entscheidungserheblich ist.
Unter dem Strich ist der Rechtssuchende mit diesem Urteil (noch) nicht schlauer als zuvor.
Ansprechpartner
RA Matthias Stößer, LL.M., Köln
matthias.stoesser@bld.de
Bedeutung des sogenannten "Werkstattrisikos" nach Abtretung der Schadensersatzforderung an die die Reparatur des Unfallschadens vornehmende Werkstatt (mit BLD-Anmerkung)
BGH, Urteil vom 26.4.2022 - VI ZR 147/21