1. Der Versicherungsnehmer hat bei einer nicht nur vorübergehenden Verlegung des Wohnsitzes oder des gewöhlichen Aufenthaltsortes weder einen vertraglichen noch einen gesetzlichen Anspruch auf Fortführung der Krankheitskosten- und Krankheitstagegeldversicherung als Anwartschaftsversicherung.
2. Im Sinne der Versicherungsbedingungen ist bei der Definition des Wohnsitzes der melderechtliche Wohnsitz nicht ausschlaggebend. Vielmehr ist die Kommentarliteratur dahingehend zu erkennen, dass der spätere Wegfall der Definition „Wohnsitz“ in den MB-KK 2009 im Vergleich zu den MB-KK 1994 und das Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort keine wesentlichen Folgen mit sich brachte. Auch bei den Versicherungsbedingungen von 1994 war ausschlaggebend die dem gewöhnlichen Aufenthalt zu Grunde liegende Definition.
Anmerkung
Der Rechtsstreit betraf die Krankenversicherung, ist jedoch auch für den Lebensversicherungsbereich im Zusammenhang mit den sog. "Wegzugsfällen" von Relevanz, da sich einige Wertungen übertragen lassen. Letztlich hat das LG Itzehoe das Interesse des Versicherers, aufgrund von "Wegzügen" bzw. Verlagerungen des gewöhnlichen Aufenthalts nicht Versicherungsschutz an Orten gewähren zu müssen, in denen das Risiko nach Vertragsschluss belegen ist, an denen aber versicherungsaufsichtsrechtlich keine Erlaubnis bzw. (im EU-/EWR-Bereich) keine Notifikation vorhanden ist, anerkannt und geschützt.
Dem Rechtsstreit lag ein im Jahr 1999 abgeschlossener privater Krankheitskostenvollversicherungs- und Krankentagegeldversicherungsvertrag zugrunde.
Seit dem Jahr 2015 hat sich die Klägerin beruflich aufgrund mehrerer Auslandseinsätze, die sich jeweils nahezu nahtlos aneinander angeschlossen haben, im außereuropäischen Ausland aufgehalten und ist lediglich zu Besuchszwecken in Deutschland gewesen. Vom 1.1.2015 bis zum 31.12.2019 führte die Beklagte die Krankheitskostenvollversicherung nebst der Krankentagegeldversicherung auf Antrag der Klägerin als befristete Anwartschaftsversicherung aufgrund einer vorübergehenden Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in das außereuropäische Ausland. Ende 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Anwartschaftsversicherung spätestens mit Ablauf von fünf Jahren zum 31.1.2020 ende, da bei einer (dauerhaften) Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in das außereuropäische Ausland über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren bedingungsgemäß keine nur vorübergehende Verlegung mehr vorliege.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der Klage gewendet und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Krankenversicherung ab dem 1.2.2020 in Form einer großen Anwartschaft weiterzuführen.
Der zuständige Einzelrichter hat festgestellt, dass kein Anspruch auf Fortführung der Krankenversicherung als Anwartschaftsversicherung aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit den Versicherungsbedingungen MB/KK und MB/KT nach dem Stand von 1994 besteht. Nach § 15 (3) MB/KK 1994 kann der Versicherungsnehmer bei einer nur vorübergehenden Verlegung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes verlangen, das Versicherungsverhältnis als Anwartschaftsversicherung fortzuführen. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, weil die Klägerin jedenfalls ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht nur vorübergehend außerhalb der europäischen Union und dem europäischen Wirtschaftsraum hat. Auf den melderechtlichen Wohnsitz komme es nicht an. Die gebotene Gesamtschau lasse insbesondere in Anbetracht der nahezu nahtlosen Übergänge, der erheblichen Dauer und der Ungewissheit, ob sich weitere Auslandseinsätze anschließen – was sich rückblickend bestätigte – eine Betrachtung als nur vorübergehend nicht zu. Aufgrund dessen, dass die Auslandseinsätze sich wiederholt und nahezu unmittelbar aneinander anschlossen, habe die Beklagte jedenfalls zum Ende des Jahres 2019 nicht mehr darauf vertrauen können, dass die Klägerin tatsächlich in absehbarer Zeit ihren Lebensmittelpunkt wieder nach Deutschland verlegt, weshalb es an der notwendigen Planungssicherheit fehle. Sofern die Klägerin vorgetragen habe, regelmäßig nach Deutschland zurückgekehrt zu sein, führe das zu keinem anderen Ergebnis. Der vorübergehende Aufenthalt in Deutschland bilde zwar die Verwurzelung der Klägerin zu ihrer Familie und ihrem Heimatland ab, nicht aber den Lebensmittelpunkt und Alltag.
Weiter hat das Gericht festgestellt, dass sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 15 (3) MB/KK 2009 ergebe. Danach kann der Versicherungsnehmer bei einer nur vorübergehenden Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes verlangen, das Versicherungsverhältnis als Anwartschaftsversicherung fortzuführen. In § 1 Teil II Abs. 2 MB/KK 2009 ist zudem geregelt, dass ein Auslandsaufenthalt als vorübergehend gilt, wenn er bis zu fünf Jahre andauert. Danach ergab sich unter Verweis auf die Ausführungen zu § 15 (3) MB/KK 1994 kein anderes Ergebnis.
Weiter hat das Gericht festgestellt, dass ein gesetzlicher Anspruch auf Fortführung der Krankenversicherung nicht besteht. Dem steht nicht entgegen, dass § 193 Abs. 3 VVG eine Pflicht zur Versicherung für die Kostenerstattung von ambulanter und stationäre Heilbehandlung regelt und die Versicherer nach Absatz 5 einem Kontrahierungszwang unterliegen. Dieser Kontrahierungszwang umfasst nur die Krankenversicherung unter den näher geregelten Bedingungen, nicht aber die Pflicht zum Abschluss oder Aufrechterhaltung einer Anwartschaftsversicherung.
Der daneben gestellte Hilfsantrag gerichtet auf Feststellung, dass die Ablehnung der Beklagten, die Krankenversicherung über den 31.1.2020 hinaus nicht in Form einer großen Anwartschaft fortzuführen, unzulässig war, war seinerseits unzulässig, da der Klägerin das erforderliche Feststellungsinteresse fehlte.
Ansprechpartner
RA Martin Schaaf, Köln
martin.schaaf@bld.de
RAin Clara Zöll, Köln
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