Es gelten keine Beweiserleichterungen für einen Patienten, der Schadensersatzansprüche wegen vermeintlich grob fahrlässiger Falschbegutachtung gegen einen gerichtlichen Sachverständigen nach § 839a BGB geltend macht.
Anmerkung
Gemäß § 839a BGB haftet der gerichtlich bestellte Sachverständige für den Schaden, der einer Partei aufgrund einer grob fahrlässig oder vorsätzlich unrichtigen Begutachtung entstanden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt insoweit die Klägerin als Anspruchstellerin. Sie muss unter Aufarbeitung des dem Vorprozess zugrunde liegenden medizinischen Sachverhalts darlegen und beweisen, dass das Gutachten unrichtig ist, dass dem Sachverständigen in Bezug auf den Fehler Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist und dass die gerichtliche Entscheidung auf dem Fehler beruht, also sich mithin die Kausalität des Fehlers für den geltend gemachten Schaden ergibt (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2020 - 8 U 152/20).
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen ihr insoweit die im Arzthaftungsprozess geltenden Erleichterungen bei der Substantiierung nicht zugute. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30.1.2020 - III ZR 91/19, juris), die der Senat teilt, kann die im Interesse des klageführenden Patienten anerkannte Herabsetzung der Substantiierungslast im Arzthaftungsprozess nicht auf den Regressprozess gegen den medizinischen Sachverständigen nach § 839a BGB übertragen werden. Für derartige Erleichterungen besteht bei der Verfolgung eines Anspruchs aus § 839a BGB weder Bedarf noch Raum. Insofern weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass ein Regresskläger auf jedem Sachgebiet dem von ihm in Anspruch genommenen Sachverständigen typischerweise in fachlicher Hinsicht unterlegen ist, sodass sich daraus bei der Inanspruchnahme eines medizinischen Sachverständigen keine Besonderheit ergibt. Insoweit ist die Klägerin - ebenso wie bei einer Klage gegen andere Sachverständige - gehalten, schlüssig darzulegen, dass der Beklagte mindestens grob fahrlässig ein unrichtiges gerichtliches Gutachten erstattet hat. Hieran fehlt es jedoch.
Es bestehen schon erhebliche Zweifel an der substantiierten Darlegung, dass das von dem Beklagten in dem Arzthaftungsprozess erstattete gerichtliche Sachverständigengutachten unrichtig ist. Jedenfalls ist weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich, dass der Beklagte bei Erstattung seines Gutachtens zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Dagegen sprechen schon die Ausführungen des von der Klägerin herangezogenen Privatgutachters. Dieser führt zwar aus, dass die Fraktur für ihn eindeutig sei, räumte aber ein, dass ihm dies aufgrund seines besonderen Fachwissens möglich sei, aber nicht ohne weiteres für jeden Orthopäden aufgrund der fehlenden Routine unbedingt erkennbar sei. Weiter übersieht die Klägerin, dass die nachbehandelnden Ärzte trotz MRT ebenfalls zunächst nicht diagnostiziert haben.
Gleiches gilt für die Ausführungen des Beklagten in seinem Gerichtsgutachten, dass die Injektion mit Kortison und Hyaluronsäure unter Berücksichtigung der Behandlungssituation und des Schadenbildes medizinisch noch vertretbar gewesen sei, auch wenn er anders vorgegangen wäre, zumal nach den Behandlungsunterlagen keine weitere Diagnostik von der Klägerin, sondern eine Linderung gewünscht worden sei. Soweit die Klägerin hierzu ausführt, sie sei vielmehr dazu gedrängt worden, kann sie damit nicht durchdringen. Die Klägerin hat insoweit die Beweiswürdigung des LG im Berufungsverfahren des Arzthaftungsprozesses nicht angegriffen und somit ist der Sachverhalt der Entscheidung zugrunde zu legen. Gemäß § 839a Abs. 2 BGB i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB ist die Klägerin mit diesem Vorbringen hier ausgeschlossen. Gleiches gilt für das klägerische Vorbringen, es hätten Röntgenaufnahmen in mindestens zwei Ebenen durchgeführt werden müssen. Dieses Vorbringen ist von dem Berufungsgericht wegen Verspätung zurückgewiesen worden, da nicht dargelegt worden ist, aus welchen Gründen diese Behauptung nicht bereits in erster Instanz hätte vorgebracht und zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden könne.
Für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit im Sinne eines objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoßes des Beklagten gegen die bei der Begutachtung erforderliche Sorgfalt ist danach kein Raum.
Weiter fehlt es an der erforderlichen Darlegung, dass die vermeintlich fehlerhafte Begutachtung kausal für den von der Klägerin behaupteten Schaden gewesen ist. Die gerichtliche Entscheidung beruht auf dem Gutachten, wenn dieses im Sinne adäquater Kausalität für sie ursächlich geworden ist. Zwar beruhte das Urteil auf der Verwertung des Gutachtens. Gleichwohl ist für die Kausalität maßgebend, wie der Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen (BGH NJW-RR 2018, 1364). An einem solchen Vortrag fehlt es hier indes allein schon deshalb, weil nicht erkennbar ist, dass die Operation hätte früher stattfinden können. Tatsächlich war die Injektion mit Hyaluronsäure und Kortison kein Grund, mit der Operation zuzuwarten.
Ansprechpartner
RA Dr. Jens Muschner
Keine Beweiserleichterungen für einen Patienten für Klage auf Schadensersatz wegen vermeintlich grob fahrlässiger Falschbegutachtung gegen einen gerichtlichen Sachverständigen (mit BLD-Anmerkung)
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.9.2025 - 3 U 106/24


