Der Fensterbauer, der ein vorgefertigtes sensorbetriebenes Dachfenster einbaut, haftet nicht für eine Fehlfunktion der gesamten Fensteranlage nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG, wenn diese Anlage aus unterschiedlichen Teilprodukten wie Fenster, Wettersensor und Steuerelement zusammengesetzt ist und er objektiv nicht als Lieferant der Teilkomponenten auftritt.
Anmerkung
Ein Fensterbauer baut ein sensorgesteuertes Dachfenster ein. Die Steuerungskomponenten und den Wettersensor überlässt er dem Bauherrn, der einen eigenen Elektriker mit dem Einbau der Steuerung und dem Anbringen des Wettersensors beauftragt. Der Kläger nimmt den Fensterbauer auf Schadenersatz wegen Feuchteschäden in Anspruch. Das Fenster sei bei einem Starkregenereignis offengestanden. Nach der Beweisaufnahme blieb unklar, was die Ursache für das behauptete Offenstehen des Fensters war. Eine Fehlbedienung blieb genauso in Betracht wie ein Defekt der zusammen mit dem Fenster mitgelieferten Steuerungselemente und der Sensorik. Das LG lehnte einen Anspruch auf Schadenersatz ab. Selbst wenn ein Defekt der mitgelieferten Steuerung oder Sensorik vorliegen sollte, fehle es an einem Vertretenmüssen im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Insbesondere sei der Materiallieferant nicht Erfüllungsgehilfe des einbauenden Unternehmers. Das OLG bestätigte die Entscheidung und entgegnete auch der erstmals in der Berufung vorgetragenen Auffassung des Berufungsklägers, der Fensterbauer habe, weil er die Anlage als Sonderanfertigung bezeichnet habe, eine Zusicherung auch für die Funktion der Komponenten übernommen. Der Senat ist der Ansicht, die Beklagte habe hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Herstellung der gesamten Anlage nicht selbst übernommen habe. Insbesondere stünde einer solchen Zusicherung entgegen, dass der Bauherr selbst den Anschluss der Steuerung und die Positionierung des Wettersensors an einen Elektriker beauftragt habe. Demgemäß sei auch ein Anspruch des Bauherrn aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG nicht gegeben. Die Werkleistung der Beklagten könne nicht als Produkt im Sinne des § 2 ProdHaftG angesehen werden. Setzt der Werkunternehmer eine Bauwerk aus unterschiedlichen Teilprodukten lediglich zusammen, so haftet er nicht für einen Fehler des gesamten Bauwerks, da es mit der Herstellung gleichzeitig unbeweglich wird (vgl. auch OLG Stuttgart Urteil vom 14.1.1999 — 7 U 190/98, Rn. 31 f.). Auch die Bauwerkleistung selbst ist als Anknüpfungspunkt nicht dienlich, da sie kein Produkt im Sinne dieses Gesetzes ist (BeckOGK/Rebin, 1.2.2022, ProdHaftG § 2 Rn. 18). Zur Beurteilung komme es auf die objektiven Verhältnisse an und nicht auf den Eindruck eines Bestellers, der von ihm beauftragte Unternehmer habe die verwendeten Bauteile selbst hergestellt.
Nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) können dem Besteller von Produkten verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche gegenüber dem Hersteller zustehen. § 2 2. Fall ProdHaftG stellt klar, dass z.B. die fehlerhafte Dachfolie auch nach Einbau in den Dachaufbau die Produkteigenschaft nicht verliert. Dies betrifft also die "klassischen"Hersteller von Baumaterialien. Ein Bauhandwerker dagegen haftet grundsätzlich nicht aus produkthaftungsrechtlichen Gesichtspunkten auf Schadensersatz, wenn er im Rahmen seines Gewerks hergestellte Baumaterialien, die von einem anderen Fachhandwerker in dessen Zuständigkeitsbereich fehlerhaft bearbeitet worden sind, ohne Kenntnis von diesem Mangel in ein Bauwerk einfügt (vgl. OLG Stuttgart VersR 2001, 465). Der Bauhandwerker kann aber der Händlerhaftung nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG unterliegen, soweit er selbst als Lieferant der Baumaterielien anzusehen ist (Wagner, MüKo, 8. Auflage 2020, § 2 ProdhaftG, Rn. 11).
Ansprechpartner
RA Klaus Bröcher, Köln
klaus.broecher@bld.de
Keine Haftung eines Fensterbauers nach § 1 Abs. 1 ProdhaftG für vorgefertigtes Dachfenster mit eingebauter Sensorsteuerung (mit BLD-Anmerkung)
OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 8.7.2022 - 15 U 99/22