Die Frage, ob eine Neulandmethode vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die unter Hinzuziehung medizinischer Sachverständiger zu beantworten ist. Entscheidend für die Frage, ob eine Neuerung in diesem Sinne die Schwelle zur Aufklärungspflicht überschreitet, ist, ob der Behandler zu gewärtigen hatte, dass die zu beurteilende Methode im Vergleich zu den etablierten Methoden mit einem abweichenden / unbekannten Risikoprofil verbunden sein würde (vgl. BGH, Urteil vom 13.6.2006 – VI ZR 323/04 (Robodoc) - BGHZ 168, 103-112).
Anmerkung
Der Kläger wurde im Jahr 2012 mit einer Bandscheibenprothese des Typs Cadisc L der Firma Ranier Technology Ltd. versorgt, die sich u. a. dadurch auszeichnet, dass sie metallfrei ist. Die Prothese wurde 2016 in einem weiteren operativen Eingriff wieder entnommen, das diesbezügliche Segment versteift. Infolge von Komplikationen beim Zweiteingriff litt der Kläger unter erheblichen Beschwerden. Er rügt u. a., dass vor der Einbringung der Cadisc L Bandscheibenprothese eine gesonderte Aufklärung geschuldet gewesen sei, da es sich um eine Neulandmethode im Sinne der Rechtsprechung des BGH gehandelt habe.
Das LG hat seiner Klage teilweise stattgegeben und – entgegen der sachverständigen Einschätzung – argumentiert, dass die Cadisc-L als Neulandprodukt einzustufen ist, was eine – unstreitig nicht erfolgte – spezielle Aufklärung über die unbekannten Risiken erforderlich gemacht hat.
Die Berufung wendet sich erfolgreich gegen die Einschätzung des LG. Das OLG ist der Ansicht, dass die Beurteilung der Frage, ob es sich beim Einbau der Prothese Cadisc um eine Neulandmethode handelt oder nicht, um eine Rechtsfrage handelt, die unter Hinzuziehung medizinischer Sachverständiger zu klären ist. Die Sachverständigen haben übereinstimmend ausgeführt, die Cadisc-Prothese ist vergleichbar mit einer Titanprothese, es bestehen gleiche Chancen und Risiken. Das Risikoprofil ist insgesamt gleich. Das OLG verweist in diesem Zusammenhang auf ähnliche Entscheidungen des Senats (5 U 74/19; 5 U 81/19, 5 U 88/22), in denen die Sachverständigen zu vergleichbaren Wertungen gekommen sind.
Die Sache liegt derzeit dem BGH unter dem Aktenzeichen VI ZR 255/23 vor. Eine Beratung des Senats ist nicht vor Ende April zu erwarten.
Ansprechpartner
RA Bernd Schwarze, Köln
bernd.schwarze@bld.de
Wann ist eine gewisse Behandlungsmethode als sog. Neulandmethode im Sinne der Rechtsprechung des BGH zu werten? (mit BLD-Anmerkung)
OLG Oldenburg, Urteil vom 2.8.2023 - 5 U 51/20 (nicht rechtskräftig)